Expertenecke 22.02.2000 – Biathlon Weltcup 2000 in Östersund / Schweden

Da der gute Mann mit dem schwarzen Hut anscheinend den Glauben an einen Bericht für die Sportseiten noch nicht aufgegeben hat, wollen wir ihn nicht enttäuschen und melden uns aus dem verschneiten Östersund.
Um den geographisch nicht bewanderten Lesern einen Eindruck zu geben, erst einmal ein paar Angaben zum Austragungsort: Östersund liegt in der mittelschwedischen Provinz Jämtland. Bis zum norwegischen Städtchen Trondheim fährt man 3 Autostunden gen Westen. Jämtland hat ca. 135.000 Einwohner und ist so groß wie ganz Dänemark. Es wird sich zeigen, das so etwas negative Auswirkungen auf die Zuschaueranzahl haben kann. Vor ein paar Jahren hat sich Östersund (ca. 60.000 Einwohner) für die olympischen Winterspiele beworben. Man ist aber seltsamerweise an Albertville gescheitert (wahrscheinlich hat man das IOC nicht ausreichend geschmiert).


Los ging es am Freitag mit dem 10 km Sprintrennen der Herren. Freundlich geschätzte 250 Zuschauer überließen das Anfeuern der Athleten dann auch gänzlich uns 6 Deutschen, den beiden Lettinnen und einem verirrten Franzosen, der sich zwar mit Biathlon nicht auskannte, aber seine Landsleute trotzdem bejubelte. Gewonnen hat das ganze dann der Norweger Frode Andresen (verhaltener Jubel bei den beiden mitgereisten, oder zufällig anwesenden norwegischen Sportsfreunden), vor dem Österreicher Rottmann (leider nicht bejubelt) und dem Weltcupführendem Norweger Ole Einar Bjoerndalen (mein ganz persönlicher Favorit). Die Deutschen haben zwar ganz anständig auf dem Schießstand herumgeballert, aber beim Laufen doch etwas enttäuscht. Naja, auch egal. Und die Schweden? Der örtliche Favorit war dermaßen schlecht, das er in bester Armin Pflug Manier in unterhöhter Geschwindigkeit (alter MTV Tostedt Witz) als Letzter aus dem Wald kam, aber trotzdem freundlich beklatscht wurde. An die anderen Schweden kann ich mich leider nicht mehr erinnern (waren da noch welche?) und so dämmerte uns auch langsam, warum nur so wenig Leute gekommen waren.

Am nächsten Tag, bei dem 7,5 km Sprint der Damen, waren dann etwas mehr Leute da und auch wir waren etwas besser ausgerüstet, nachdem wir uns in Östersunds Flaggengeschäft (haben die da im Ernst), zusätzlich zu den schwedischen, die es umsonst gab, kleine Deutschland Fähnchen gekauft hatten und in der Nacht zuvor nach dem Genuß einer Flasche Tostedter Korn noch ein Transparent mit der Aufschrift „Östersund, Sundsvall und Härnosand grüßen Uschi“ gemalt hatten (lange, umständliche Sätze sind der Tod eines jeden Journalisten, man gut, dass ich keiner bin). Lesen konnte man das zwar nicht (auch Uschi Disl schien so ihre Probleme damit gehabt zu haben, wenn wir ihren verständnislosen Gesichtsausdruck richtig deuteten), aber immerhin. Der Wettkampf lief so ähnlich wie am Tag zuvor, nur daß die deutschen Frauen hervorragend gelaufen sind, dafür aber anscheinend kein Zielwasser getrunken hatten. Gewonnen hat die Russin Galina Koukleva und zweite wurde ihre Landsfrau Swetlana Ischmuratowa, was die einzig angereiste russische Zuschauerin zu ekstatischem Gekreische veranlasste. Die mittlerweile anwesenden 1000 Zuschauer hofften dementsprechend darauf, daß kein Mitglied der russischen Mannschaft mehr aufs Treppchen kommen würde um schwerere Verletzungen der Gehörgänge zu vermeiden. Auch unsere Stimmung tendierte gegen Null da unsere Favoritin Uschi sage und schreibe einen 39. Platz ersprintete. Auch Lokalfavoritin Magdalena Forsberg (wiederum eine persönliche Favoritin von mir) war nicht sehr gut, hat sie aber auch nicht nötig, da im Weltcup uneinholbar vorne liegend.
Den Abend haben wir im Studentenhaus von Östersund verbracht und uns köstlich amüsiert (fem-till-två-ragg, kann man nicht erklären, muß man erleben).


Am Sonntag dann volles Programm, Frauen und Männer. Unsere Stimmung war auf dem Siedepunkt, nicht zuletzt dank des Sportkameraden Althaus, der noch mindestens 8 Promille vom Vorabend mit an die Loipe brachte, wo sich wiederum ca. 1000 Zuschauer eingefunden hatten.
Derart supportet blieb Martina „Matze“ Glagow dann auch nichts anderes übrig als kurzerhand das Verfolgungsrennen zu gewinnen. Auch Uschi hatte das ganze etwas besser im Griff und erlief noch Platz 14. Ein weiterer Höhepunkt war der zweite und dritte Platz von Swetlana Tschernousowa resp. Swetlana Ichmuratowa. Das animierte die russische Frau auf der Tribüne zu einer unglaublichen Jubelorgie so das sie, auf einem Podest stehend, kurzerhand von selbigem herunterfiel. Und zwar direkt in die Zuschauerreihen davor, wo sie so ziemlich alles in bester Carsten Kober Manier umgrätschte. Dann stand sie umgehend wieder auf und sprang auf das Podest zurück, um dort weiter abzufeiern. Von da an hatten wir sie alle ins Herz geschlossen (auch wenn die Ohren schmerzten).
Nach einem zweiten Frühstück, und der telefonischen Versicherung aus Deutschland, das wir im ZDF einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hatten (O-Ton Jürgen A. aus T.: „Ihr habt in die Kamera geglotzt wie die Affen“), gings am Nachmittag zurück an die Loipe zum Verfolgungsrennen der Herren. Dies gewann auch Frode Andresen, der diesesmal sogar auf die Unterstützung von ca. 200 angereisten Norwegern rechnen konnte. Zweiter wurde der Russe (sic) Pavel Rostovtsev vor dem von uns natürlich besonders frenetisch gefeiertem Ricco Gross. Erwähnenswert auch der vierte Platz von Raphael Poiree, den unser französischer Freund Jerome natürlich ganz besonders in sein Herz geschlossen hatte (bevor der so richtig anfeuern konnte mussten wir ihm zwar den Namen seines Idols zuflüstern, aber ich glaube der Biathlonsport hat einen neuen Anhänger gefunden).
Die Siegerehrung wurde natürlich zu einer One-Woman-Show der russischen Frau auf dem Podest und sie war wieder so gut, das sie von uns und einigen schwedischen Zuschauern Applaus auf offener Szene erhielt. Nachdem wir dann noch die Welle für Ricco Gross gemacht hatten, stapften wir zufrieden von dannen und ich kam zu der Ansicht, ja, Biathlon ist doch ein netter Sport.


Zum Schluss noch einen schönen Dank und lieben Gruss an Till, die Birgits, Sabine, Ansgar, Adam Lewinsky (es lebe Bingo-Lotto) und Jerome (allez Raphael!!) aus Östersund, sowie Lena und Maren (hast aber was verpasst) aus Härnösand. Alti lungert in Tokio rum, also wird er nicht gegrüsst (hat nix mit Neid zu tun, haha).
Zurück zu Kurt Emmerich ins Studio.

Lenny